Neue Impulse – Soziale Stadt als Leitprogramm der Städtebauförderung

Neue Impulse – Soziale Stadt als Leitprogramm der Städtebauförderung

Frankfurt am Main/Jena. Auf dem Netzwerktreffen der BAG Soziale Stadtentwicklung und Gemeinwesenarbeit am 30. Juni 2014 in Frankfurt am Main diskutierten wir über die Möglichkeiten und Chancen, die sich aus der Aufstockung der finanziellen Mittel für das Programm Soziale Stadt ergeben, was der Status „Soziale Stadt als Leitprogramm“ in der Städtebauförderung konkret bedeutet und wir fragten, inwiefern es möglich ist, den kommunalen Mitleistungsanteil zu entlasten oder alternativ zu erbringen, gerade in Kommunen mit Haushaltsnotlagen. Diesen Fragen stellten sich im Podium Martina Kocks, Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), Dr. Rolf-Peter Löhr, ehemals stellvertretender Leiter des DIFU und Markus Hirth, Stadtplaner, „Projektstadt“ aus Hessen.
Netzwerktreffen_30.06.14Martina Kocks berichtete von den Umstrukturierungen und den Aktivitäten auf Bundesebene. Mit der Zuordnung der Städtebauförderung an das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) hat insbesondere das Programm „Soziale Stadt“ an Bedeutung gewonnen. Die Soziale Stadt, die um das Attribut „lebenswert“ erweitert wurde, ist jetzt der Z(entral)-Abteilung zugeordnet und damit näher an der Leitung des Ministeriums angedockt (siehe Organigramm). Das Programm Soziale Stadt hat auch inhaltlich an Bedeutung gewonnen, indem es aufgrund des sozial-integrativen Ansatzes zum Leitprogramm innerhalb der Städtebauförderung erklärt wurde (Programme der Städtebauförderung). Ein weiterer Schwerpunkt den Frau Kocks erwähnte ist der ressortübergreifende Ansatz, der vehement verfolgt wird. Zur strategischen Umsetzung will man hier ein Kooperations-Papier mit den Partnern erarbeiten. In Zukunft will man stärker die Wohlfahrtsverbände und Kirchen in die Arbeit einbinden. Aber auch auf ministerieller Ebene wird der ressortübergreifende Ansatz in die Tat umgesetzt. Hier gilt es auf interministerieller Ebene Partner zu gewinnen, die von dem sozialraumorientierten Ansatz der Sozialen Stadt profitieren können. Erste Erfolge ließen sich aus der Runde bereits aus Hessen vernehmen. Dort ist es auf Landesebene gelungen, eine seit 15 Jahren bestehende interministerielle Arbeitsgruppe zu aktivieren.
Es gehe, so Kocks, um WIN-WIN-Situationen bei den beteiligten Ministerien, um gemeinsame Schnittmengen.
Die Soziale Stadt hatte in der Vergangenheit wechselnde Schwerpunkte wie Bildung, Integration oder Lokale Ökonomie. Ihre neue Schnittmenge bildet sie jetzt mit Themen wie Umwelt und Klimaschutz. Auf die Stadtteilebene heruntergebrochen wird es unter anderem um Lärmemission, (fehlendes) Grün und das Mikroklima in den Quartieren gehen. Ein weiterer Schwerpunkt ist das Thema Armutszuwanderung. Es besteht die Gefahr, dass die Zuwanderungsströme in die bereits von Armut geprägten Quartiere gelenkt werden. Hier gilt es gegenzusteuern. Für besonders betroffene Kommunen wird hier der Mittleistungsanteil auf 10 Prozent reduziert, die restlichen Anteile werden zur Hälfte von Bund und Land getragen. Immerhin befinden sich 20 Prozent der Sozialen-Stadt-Kommunen, in die 40 Prozent der Sozialen-Stadt-Mittel fließen, in einer prekären Finanzlage (Haushaltsnotlage).
Dr. Rolf-Peter Löhr brachte wieder etwas Ernüchterung in die von Euphorie geprägten Ausführungen von Frau Kocks. Er gab zu bedenken, dass seit 1971 der ressortübergreifende Ansatz auf der Agenda steht und bisher nichts passiert ist. Weiter verwies er auf den Aktenplan des BMUB, der die Themen des Ministeriums abbildet und Soziale Stadt vermissen lässt. Man findet zu dieser Rubrik im letzten und siebten Punkt, fast ein Anhängsel, „Städtebauliche Angelegenheiten“.
Auch Markus Hirth dämpfte die Stimmung und sieht das Positive kritisch. Natürlich begrüßt er die Erhöhung der Städtebaufördermittel, doch fragt er, was passiert, wenn die Erfolge ausbleiben, wenn die Mittel nicht für die eigentlichen Zwecke verwendet werden. Denn immerhin sind es Städtebaufördermittel die zum Einsatz kommen und sich als solche auch abbilden lassen müssen. Auch ist für ihn der Begriff Leitprogramm irritierend, vielmehr sollte von einer Leitstrategie gesprochen werden.
Als Fazit lassen sich zwei Dinge resümieren. Erstens: Politik muss es wollen, sie muss die Rahmenbedingungen setzen. Und zweitens dürfen wir nicht (er)warten, dass die Strukturen und Vorhaben von oben nach unten implementiert werden. Wir müssen stattdessen, so anstrengend es auch sein mag, uns auf Landes- und Kommunalebene aktiv einbringen, um Partner für das Vorhaben „Soziale Stadt“ zu gewinnen.
Noch ein letztes Wort in eigener Sache. Als BAG-Vorstand begrüßen wir natürlich die Signale der neuen Regierung, insbesondere des BMUB. Wir führten mit Nicole Graf, Referatsleiterin „Lebenswerte soziale Stadt“ im März ein Gespräch und schrieben im Nachgang die Bundesministerin Barbara Hendricks an und baten ebenfalls um einen Gesprächstermin, den die Ministerin leider aus terminlichen Gründen nicht wahrnehmen kann. Sie verwies uns an Florian Pronold, parlamentarischer Staatssekretär im BMUB, mit dem wir uns am 2. September in Berlin treffen. Auch mit dem MdB und wohnungspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Groß, werden wir ein Gespräch führen.
Und hier noch eine Empfehlung, die programmatische Rede von Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks an der Humboldt-Universität zu Berlin am 19. Mai 2014

Autor: Andreas Mehlich

So viel zum Netzwerktreffen. Daran schloss sich die Mitgliederversammlung mit einer Vorstandswahl an.


Gewählt wurden ein neuer Vorstand und 10 Beisitzer, die den erweiterten Vorstand bilden.

Geschäftsführender Vorstand

Vorsitzender: Reinhard Thies
Stellvertreter: Hartmut Fritz
Kassierer: Andreas Mehlich (Koordinierung, BAG-Geschäftsstelle)

Mitglieder des erweiterten Vorstandes

Aykut Tasan (Bremer WIN-Projekte)
Christoph Kummer (LAG Soziale Brennpunkte Hessen e.V.)
Dieter Eckert (AWO, Bundesverband e.V.)
Gerald Lackenberger (LAG Baden-Württemberg)
Jürgen Maier (NAK-Vertreter)
Karin Schmalriede (Lawaetz-Stiftung)
Karin Vorhoff (Deutscher Caritas Verband e.V.)
Markus Kissling (LAG Soziale Brennpunkte Niedersachsen e.V.)
Uwe Lummitsch (LAG der Freiwilligenagenturen Sachsen Anhalt e.V.)
Werner Hubertus (Forum Gemeinwesenarbeit Saar)